Über die Kirchensteuer in Deutschland


Immer wieder gibt es Äußerungen im Internet, dass in Deutschland ja keine Trennung von Staat und Kirche herrsche, weil der Staat die Kirchensteuer eintreibt. Und wie das mit Äußerungen im Internet so ist…

„Ich kann nicht ins Bett, da redet jemand Stuss im Internet!“ (Quelle)

Eine ausführliche Erklärung der Zusammenhänge findet sich beim Legal Tribune Online, aber nicht jeder will sich durch die juristischen Details seit der Weimarer Verfassung kämpfen, daher hier ein etwas anderer Erklärungsansatz:

Körperschaften des öffentlichen Rechts

Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften können in Deutschland den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) beantragen. Dazu muss die Gemeinschaft einige Kriterien erfüllen, wobei bei den formalen Kriterien die wichtigsten die Größe und Gestalt betreffen: Die Körperschaft muss in der Lage sein für alle Menschen, die sich dieser Gemeinschaft zugehörig fühlen und in einer bestimmten Region leben, zu sprechen. Außerdem muss absehbar sein, dass diese Gemeinschaft fortbesteht – eine Vereinfachung für die Bürokratie, damit nicht jede Skatrunde ihre eigene weltanschauliche KdöR aufmacht, weil sie glaubt, ihre Karten wären die schönsten.

Dazu muss klar definiert sein, wer dazu gehört und – ebenso wichtig – wer nicht, und wenn es mehrere regionale Körperschaften zur selben Gemeinschaft gibt, sollte ein Umzug relativ automatisch auch die Mitgliedschaft von einer Körperschaft zur anderen bedeuten.

Hintergrund ist, dass eine KdöR Ansprechpartner des Staates darstellen soll. Zwar mischt sich der Staat grundsätzlich nicht in die Belange von Religionsgemeinschaften ein und umgekehrt, allerdings ist es sinnvoll, einen offiziellen Kanal zu haben, um miteinander sprechen zu können.

Funktional ist das nicht sehr verschieden vom Deutschen Olympischen Sportbund, der (unter anderem) eine Schnittstelle zwischen Politik und Sportvereinen darstellt, falls es Dinge gibt, bei denen die Politik was vom Sport will oder im Sport Bedenken entstehen zu politischem Handeln. Genauso gibt es eine KdöR namens „Bundesinnung der Hörakustiker“.

Sollte beispielsweise etwas in der Religionsgemeinschaft möglicherweise aus dem Ruder laufen, kann die Exekutive im Rahmen einer Ermittlung erst einmal diese offiziellen Kanäle nutzen, statt direkt verdeckte Ermittler einschleusen zu müssen. Ebenso kann, wenn in der Politik Bestrebungen aufkommen, die einer religiösen Organisation (was auch bedeutet: größere Gruppe von Menschen) nicht gefallen, diese Gruppe ihre Einwände genau einmal vortragen, statt den Bundestag mit Papiermüll zu fluten (sprich: eine Petition durchzuführen).

Es gibt reichlich solcher weltanschaulicher KdöR, das Bundesinnenministerium führt eine Liste. Es kann also jede Religionsgemeinschaft und vergleichbare Organisation beantragen, einen solchen Status zu erhalten und könnte dann Kirchensteuer erheben lassen und Lehrer für den Religionsunterricht entsenden.

Die Kirchensteuer

Dabei ist die Kirchensteuer eine Inkassodienstleistung der Finanzämter: Da diese eh das Einkommen der Steuerzahler ermitteln, brauchen sie von der Lohnsteuer nur noch einen vereinbarten Satz zu berechnen (für gewöhnlich 8 oder 9 Prozent, einfacher Dreisatz), das mit der Lohnsteuer mit einziehen und die Summe dann an die Organisation überweisen. Für die Finanzämter ist das quasi kein Mehraufwand (insbesondere heute, wo das alles automatisiert werden kann), für den sie dennoch 2 bis 4 Prozent der Kirchensteuer als „Aufwandsentschädigung“ erhalten.

Staatsleistungen

Eine völlig andere Sache sind uralte Verträge mit den Großkirchen: bis zum 19. Jahrhundert wurden Kirchen entmachtet und enteignet und auch wenn das Vermögen und die Grundstücke über die Jahrhunderte sonst woher kamen, wollte man bereits damals nicht überall entschädigungslose Enteignung vornehmen. Hurra Rechtsstaat!

Daher wurden Entschädigungszahlungen vereinbart, die dann in der Weimarer Republik als „Staatsleistungen“ begrifflich zusammengefasst wurden und es so ins bundesdeutsche Recht geschafft haben. Es ist das erklärte Ziel, diese Leistungen abzubauen:

Erstens werden die Länder verpflichtet, die Staatsleistungen im Wege der Landesgesetzgebung durch Ablösung zu beenden. Zweitens enthält die Norm eine Garantie für den Fortbestand der Staatsleistungen bis zu ihrer Ablösung. Drittens wird die Einrichtung neuer Staatsleistungen ausgeschlossen.

Da man sich dafür aber auf eine Ablösesumme einigen müsste, bleibt der Prozess eher mühselig. Auch dieses Vorgehen ist ein Paradebeispiel für den rechtsstaatlichen Umgang mit Altlasten, die man eigentlich lieber loswerden würde.

Es liegt jedoch an der Politik, diesen Prozess zu vollenden.

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